Solang noch Untern Linden

Dokus/Biographie, Deutschland 1958

Die Zeit von 1895 bis 1945, das Berlin von Zille und Otto Reutter, Claire Waldoff, der Kaiserparaden und Aufmärsche unterm Brandenburger Tor; der zwei Weltkriege, der rauschenden Premieren im Apollo-Theater und kleinen trauten Runden im Grünen bei einer Molle, Dampferausflug auf dem Wannsee und dazu Walter Kollos Musik; das lebt in dem Spielfilm auf, den Willi Kollo, ebenfalls höchst erfolgreicher Schlagerkomponist und Textverfasser, 1958 seinem berühmten Vater widmete. Geschickt hat er den biographischen Bericht mit einem kleinen Handlungsfaden und historischen Wochenschauauszügen verbunden und die Atmosphäre von Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbunden. In diesem kulturhistorisch wertvollen Archivmaterial von der Jahrhundertwende bis zur Inflationszeit sehen und hören wir noch einmal Wilhelm II., Hindenburg, Gustav Stresemann, Friedrich Ebert, Klara Zetkin, Philipp Scheidemann, Gerhard Hauptmann, Heinrich Zille, Claire Waldoff, Max Reinhardt, den Droschkenkutscher Gustav Hartmann alias der „eiserne Gustav“, Josephine Baker und unzählige andere Zeitgenossen dieses turbulenten Jahrhunderts. 1914. Die Feldgrauen marschieren mit Kollos Melodien in den Ersten Weltkrieg. Die ersten Jahre des Völkerringens bringen die Wiederbegegnung mit der einst geliebten Frau, die inzwischen eine gefeierte Opernsängerin geworden ist. Und 1917 in der Operetten-Premiere Kollos „Die tolle Komtess“, die sie mit aus der Taufe hebt, dominiert ein Lied mit dem beziehungsvollen Titel „Denn es kann ja nicht immer so sein.“ Doch als sie ihm, der unten sein eigenes Werk dirigiert, das „Dein auf ewig“ zusingt, da neigt er sich der Loge zu, in der seine Frau Marie, Sängerin und Tänzerin, und sein gerade mal 13 Jahre alter Sohn Willi sitzt. Als der Erste Weltkrieg 1918 beendet ist und die Revolution durch Berlins Straßen tobt, hat auch Walter Kollo zu kämpfen. Er muss sich die neue Zeit erobern und gewinnt sein Publikum zurück mit einem Lied, das unvergessen bleiben sollte: „Solang noch Untern Linden die alten Bäume blüh´n…“ Sein Sohn Willi ist herangewachsen. Seine literarische Begabung und das musikalische Erbe wirken sich glücklich aus in der ersten Zusammenarbeit mit dem Vater. Noch einmal feiert Walter Kollo 1934 mit dem Singspiel „Derfflinger“ im Berliner Metropol-Theater einen großen populären Erfolg. Während 1940 die Truppen durch das Brandenburger Tor marschieren und der Zweite Weltkrieg seinen Anfang nahm, melden Rundfunk und Zeitungen: Walter Kollo ist tot. Man bettet ihn in einem Berliner Ehrengrab auf den alten Sophienfriedhof, auf eigenen Wunsch nicht weit vom Grabe Albert Lortzings. Der erste und bis heute anhaltende Erfolg Walter Kollos war und ist die Operette „Wie einst im Mai“, die 1913 entstand und 1943 von Sohn Willi Kollo modernisiert und musikalisch ergänzt wurde. „Das war in Schöneberg, im Monat Mai“, „Die Männer sind alle Verbrecher“, „Untern Linden, untern Linden“ etc. Walter Kollos Lieder aber sind lebendig geblieben. Und die Berliner glaubten fest daran, dass jene Melodie, der sein Sohn Willi strahlende Worte gegeben hat, eine Prophezeiung war, die 1998 Wirklichkeit wurde. Im Leben geht ja alles mal vorüber, mein Lieber, die Zeiten sind mal heiter und auch wieder mal trüber. Doch wie die Welt auch immer sei, in jedem Jahr gibt´s einen Mai, und nach fünfzig Jahr´n wirst Du erfahr´n, geht alles mal vorbei! Dann zieh´n wir wieder mit Gesang die guten alten Linden lang durch´s Brandenburger Tor! Dann werden wir, Du wirst ja seh´n, am Alex wieder tanzen geh´ n, dann fahren wir und wie, hinaus nach Sanssouci, und warten wir auch heute noch, aber mal klappt´s doch!“ (Musik: Walter Kollo – Text: Willi Kollo) Leider konnte der Schöpfer dieses so wertvollen musik-historischen Films diese Wirklichkeit nicht mehr erleben, da er am 4.2.1988 verstorben war. Willis Kinder Marguerite und René waren gerade mal 18 und 20 Jahre alt, als Vater Willi sie zu ihren Großeltern machte. René begann dann 10 Jahre später als Steuermann im „Fliegenden Holländer“ in Bayreuth seine weltweite Karriere als Heldentenor. Und Marguerite, Musikverlegerin und Agentin für das Musiktheater gründete die Europäische Stiftung Operette und pflegt bis heute das große kulturelle Erbe dieser 3 Generationen umfassenden Familie Kollodzieyski, wie sie bis heute polnisch-ostpreußisch heißt.
97 Min.
HD
FSK 12
Sprache:
Deutsch

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